In der stratum lounge treffen Menschen auf Themen, Worte auf Emotionen, Autor(inn)en auf Leser(innen). Hier bildet sich der aktuelle Nachhaltigkeits-Diskurs ab und Transformationswissen wird lebendig. Diskutieren Sie mit, um die Welt zu verstehen. Bilden Sie sich eine Meinung oder lassen Sie sich verunsichern. Helfen Sie mit, die Dinge auf den Punkt zu bringen.
Im Podcast bringen wir die Themen noch einmal auf den Punkt.
Der Begriff „Macht“ weckt meistens negative Assoziationen. Unterdrückung, Machtmissbrauch und Fremdbestimmung schwingen sofort mit. Dass jetzt ausgerechnet eine Autorin, die ihr Leben lang in hierarchiefreien Projekten, Gemeinschaftsinitiativen und der selbstverwalteten Öko-Szene unterwegs war, eine Lanze für Macht, Rang und Hierarchie bricht, mag verwundern. Aus der persönlichen Sicht von Eva Stützel, Autorin des Buches „Macht voll verändern“, ist das aber gar kein Widerspruch. Die Psychologin beobachtet seit langem, dass Initiativen, die aus dem Paradigma von „Macht ist böse“ kommen, sich selbst schwächen.
Mit ihrem Buch möchte sie „dazu beitragen, ‚Macht‘ aus der Tabuzone zu befreien und zu einem konstruktiven Umgang damit einzuladen“, weil sie davon überzeugt ist, „dass dies ein Schlüssel für gesündere Menschen und blühendere Initiativen und Projekte ist“. Tatsächlich dürften die meisten von uns – soweit sie nicht Trump, Musk, Erdogan oder Putin heißen – von Eva Stützels machtpraktischen Lektionen profitieren. Und zwar sowohl diejenigen, die Macht und Einfluss haben, als auch die anderen, die sich eher als machtlos und niederrangig empfinden. Zumal wir bei Eva Stützel lernen können, dass diese Zuschreibungen gar nicht absolut gelten können.
Eine der wesentlichen Differenzierungen, die die Autorin vornimmt, betreffen die drei (oder vier) unterschiedlichen Erscheinungsweisen von Macht. Macht kann sozialen Rang oder Status bedeuten; der ist zum einen durch die eigene soziale Herkunft bestimmt, wird jedoch in Gruppen auch immer wieder neu definiert. Der persönliche Rang ergibt sich aus den individuellen Kompetenzen und Fähigkeiten, er ist aber eng verwandt mit dem psychologischen Rang, der von der eigenen Selbstsicherheit, sozial-emotionalen Kompetenz und Zielorientierung abhängt. Als viertes kommt der strukturelle Rang hinzu, der sich aus einer definieren Position in einer Organisation oder Hierarchie ergibt und oft mit bestimmten Rechten ausgestattet ist.
Meistens denken wir ja nur an diese strukturellen Rangpositionen, wenn es um das Thema „Macht“ geht. Tatsächlich gibt der strukturelle Rang alleine jedoch nur wenig Macht und Einfluss, wenn er nicht durch die psychologische Fähigkeit des Ranginhabers gestärkt wird. Auch die rein fachlichen Kompetenzen reichen hierfür nicht aus, wie Eva Stützel weiß: „Denn ein hoher struktureller Rang wird zwar – meist – auf Grund von Kompetenzen vergeben, aber er bedeutet nicht, dass man aufgrund dieser Kompetenzen allen Anforderungen in der neuen Position gewachsen ist. In der neuen Position warten neue Herausforderungen und es ist wichtig, sich zunächst zu orientieren und Vertrauen aufzubauen. Die Achtung, die jemand in einem hohen strukturellen Rang von den Untergebenen erwartet, muss durch positive Erfahrung unterfüttert werden, bevor sie erwartet werden kann.“
Die Welt, aus der Eva Stützel kommt, leidet allerdings eher unter einem Zuwenig an Rang und Struktur. Sie schreibt: „Im Laufe meiner Beschäftigung mit dem Thema Macht habe ich eine These entwickelt, die bei Menschen, die Hierarchiefreiheit als hohen Wert postulieren, stets erheblichen Widerstand auslöst. Ich bin davon überzeugt: Strukturelle Rangpositionen zu vergeben, also Hierarchien bewusst zu definieren, kann sowohl die Gruppe wie die Einzelnen sehr stärken!“
Außerdem machen strukturelle Rangpositionen Macht transparent. Wenn eine Organisation glaubt, auf Hierarchie und Struktur verzichten zu können, entwickeln sich informelle Positionen und Machtunterschiede – und diese „sorgen häufig für Spannungen und sind deutlich gefährlicher und anfälliger für Macht-Missbrauch als klar definierte Strukturen“.
Einen neuen, konstruktiven Umgang mit Macht legt uns Eva Stützel in ihrem Buch anhand zahlreicher Beispiele nahe. Diese Beispiele haben zum Teil verhaltenstherapeutischen Wert:
„Wenn Du jemand ‚Mächtigem‘ gegenüberstehst und Dich vielleicht sogar angegriffen oder ‚klein gemacht‘ fühlst: Nimm deine emotionale Reaktion wahr, und wisse: Das ist Deine Reaktion, weil Du Dich angegriffen fühlst. Aus dieser Erregung heraus zu reagieren, ist selten hilfreich.“
Zu anderen Teilen erschließt sie uns noch relativ unbekannte Konzepte wie die Quellen-Prinzipien (Source-Principles) des Unternehmensberaters Peter Koenig, dessen Ansatz Eva Stuetzel nicht vorbehaltlos teilt, aber für sehr wertvoll hält:
„Dieser Ansatz widerspricht einerseits meinem Anspruch, dass Machtstrukturen in selbstorganisierten Projekten stets revidierbar sein sollten, und entspricht gleichzeitig vielen Erfahrungen, die ich in Begleitungen von Projekten und Initiativen gemacht habe. Die Initiator:innen haben eine sehr besondere Rolle, und wenn diese nicht respektiert wird, entstehen viele Spannungen.“
Außerdem befasst sich Eva Stützel mit der Relevanz, die die Unternehmensorganisation der Soziokratie oder die Methode des Systemischen Konsensierens für einen neuen Gebrauch der Macht haben.
Das Buch „Macht voll verändern“ kann uns ein ganz neues Gefühl für Macht vermitteln und zu einem aufgeklärteren Verhältnis gegenüber diesem immer noch ebenso tabuisierten wie ideologisch aufgeladenen Thema verhalfen. „Ein neuer Umgang mit dem Thema Macht könnte diese Erde zu einem schöneren Planeten machen“, davon ist Eva Stützel überzeugt.
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