Brennpunkt Nachhaltigkeit

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Braucht Nachhaltigkeit die Kunst? Oder warum sind Recyclinghöfe keine Kulturzentren?

Am 20.11.2024 um 19 Uhr in der stratum lounge

Wenn von Kunst im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit bisher die Rede war, so ging es meistens darum, den Kunstbetrieb möglichst klimaneutral und materialeffizienter zu machen. Zuweilen bedienen sich Nachhaltigkeits-Protagonisten aus Wissenschaft und Politik außerdem künstlerischer Formen als eine „Art von Hochglanzverpackung für ihre vordefinierten Inhalte“, stellt der Schauspieler und Soziologe Manuel Rivera in seinem Buch „Kultur in der Klimakrise“ fest. 

 

Dabei könnte der Beitrag von Kunst und Kultur zu einer nachhaltigen gesellschaftlichen Entwicklung ein ganz anderer, bedeutsamerer und wesentlicher sein. Rivera plädiert dafür, diese Beiträge zu verstärken und das „aktuelle Nachhaltigkeitserwachen der Kulturwelt“ zu nutzen – nicht zuletzt auch dafür, die blinden Flecken des gängigen Nachhaltigkeits-Narrativs zu erhellen.

 

So bemängelt der Autor z.B. am klassischen Denkansatz der Nachhaltigkeit, wie er seit den „Grenzen des Wachstums“ (Club of Rome) tradiert wird, dass es dabei um „eine Kontinuität des Weiterwirtschaftenkönnens innerhalb ökologischer Grenzen“ gehe, wo doch viel mehr ein „ganz anderer Blick auf die Natur“ erforderlich wäre. Nachhaltigkeit werde bei uns viel zu sehr von „streng wissenschaftlich, ja technisch denkenden Menschen“ definiert“ und von einer Effizienzlogik beherrscht, die Natur und Kultur einseitig betrachtet. Tatsächlich haben wir es jedoch, so Rivera, zu tun „mit einer belebten Natur, die auf vielen Ebenen sehr ineffizient operiert“ sowie mit „kultisch-festlichen Ursprüngen der künstlerischen Kreation, die per definitionem in Exzess und Verschwendung liegen“. Gibt es also vielleicht sogar eine luxuriös-verschwenderische Nachhaltigkeit?

 

Wenn Kunst ihre genuine Kraft in den Nachhaltigkeitsdiskurs einbrächte, dann könnte sie beispielsweise „durch ihre imaginative Komponente zur Futurisierung beitragen“, also zur Vergegenwärtigung von Zukünften, ebenso wie dazu, „das Bestreben nach Gerechtigkeit mit jenem nach Schönheit zusammenzuführen“. 

 

Den wesentlichen Faktor, durch den Kunst die Nachhaltigkeitserzählung bereichern könnte, sieht Rivera in der Interaktion und Verständigung zwischen Menschen und Welten, also in sozialen Verständigungsprozessen, die z.B. im globalen Maßstab als transurbane Begegnungen oder hierzulande durch neue Stadt-Umland-Beziehungen entstehen. Rivera: „Künstler können hierzu beitragen, weil viele von ihnen eine bestimmte Art Neugier mitbringen, die sich weit über die eigene Spezialisierung hinaus erstreckt. Und weil sie fähig sind, Atmosphären zu generieren, in denen auf eine andere Art und Weise Verständigung möglich wird. Z. B. gibt es bereits seit 2011 eine schöne Initiative des Vereins MitOst e. V. und der European Cultural Foundation, das Tandem for Culture“. Oder den von Adrienne Goehler und Manuel Rivera zusammen mit anderen geforderten Fonds Ästhetik und Nachhaltigkeit, der „raus aus den Echokammern“ führen möchte.

 

Tatsächlich befürchtet Rivera gerade durch die Verbreitung eines nachhaltigen Lebensstils in unserer Gesellschaft eine, wie er es nennt, „mentale Suburbanisierung“. Rivera beschreibt sie so: „Wenn ich in meinen urbanen Garten gehe oder wenn ich Grün auf dem Dach habe oder Solarzellen oder wenn ich mir mit Nachbarn die Waschmaschine teile, dann habe ich schon Nachhaltigkeit. Diese Einschränkung des Horizonts im Sinne einer (illusionären) Autarkie, diese mentale Suburbanisierung oder Verdörflichung wäre eher Teil des Problems als seiner Lösung.“

 

Neben gemeinsamen Räumen, in denen Wissenschaftler und Künstler auf Augenhöhe und mit transdisziplinären Ansätzen zusammenarbeiten, schlägt der Autor vor, nach dem Chemnitzer Vorbild „Nimm Platz!“ in den Städten neue kulturelle Orte und Kooperationen zu fördern und die Funktionalität städtischer Facilities kulturell auszuweiten: „Warum sind Recyclinghöfe keine Kulturzentren?“

 

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